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Vorbereitet sein - Umgang mit heftigen Emotionen kann man üben

01. Februar 2010 - Lufthansa Cabin What´s Up? Ausgabe 02/2010
Erfolgreiche Deeskalation üben in Gesprächsimulationen mit Schauspielern

Vielen Dank auch!" Mit diesem Satz tritt ein Schauspieler von Interactors vor jeden einzelnen Seminarteilnehmer - 15 Mal mit der gleichen Haltung, dem gleichen Blick und der gleichen Betonung. Seine Körpersprache signalisiert eindeutig, dass er wütend ist und der dank ironisch gemeint ist.

Der Schauspieler hat es gelernt, Emotionen auf Knopfdruck immer wieder glaubwürdig darzustellen. Nur steht er heute weder vor einer Kamera noch auf der Bühne, sondern im Lehrsaal der LFT. Sein Publikum sind zugleich seine Mitspieler, allesamt Flugbegleiter und Purser, die aufgefordert sind, direkt auf die emotionalen Ausbrüche zu reagieren.

 

"Wir gehen davon aus, dass jeder schon Erfahrungen mit Aggressionen gemacht und Wege gefunden hat, damit umzugehen. Das Seminar bietet die Chance, die eigene Vorgehensweise zu hinterfragen, bewährte Deeskalationsstrategien auszuprobieren und ein Feedback zu bekommen", sagt Heribert Huth, Human Factors Training bei der LFT.

 

Crews beeinflussen den Verlauf der Eskalation erheblich

 

Vor etwa drei Jahren hat er die Methode mit den "Trainingsakteuren" bei der KLM kennengelernt. In den Niederlanden ist dieses Training bereits seit den 70er Jahren ein Bestandteil der Ausbildungen zu Berufen, in denen Aggressionen und Gewalt vorkommen können.

 

"In der Psychologie gilt die mentale Vorbereitung anhand realistischer Szenarien als eine besonders effektive Trainingsmethode", so Boris Schlizio, Sozialwissenschaftler und bis vor Kurzem Purserreferent bei NT/H. So gab die Abteilung NT in Absprache mit dem Luftfahrtbundesamt den Auftrag an die LFT zur Entwicklung des Seminars. Die Suche nach geeigneten "Trainingsakteuren" in Deutschland mit der erforderlichen Ausbildung gestaltete sich anfangs jedoch als schwierig.

 

Wertvolle Rückmeldungen über erlebte Emotionen

 

"Um den Antrag der Lufthansa für dieses Seminar annehmen zu können, haben wir mit insgesamt zwölf Schauspielern an einer Schulung bei einer niederländischen Agentur teilgenommen", erzählt Rolf Birkholz, Geschäftsführer von Interactors. Zum Handwerkszeug von Schauspielern gehört es, Emotionen zu verkörpern, also sie mit dem ganzen Körper konzentriert darzustellen. Aber diesSchauspieler müssen zusätzlich noch die Fähigkeit beherrschen, den Teilnehmer zu beobachten, auf ihn zu reagieren und, vor allen Dingen, ihm ein präzises Feedback zu geben. Neben der Konfrontation mit den eigenen aufsteigenden Emotionen sei die Rückmeldung das Wichtigste. So erfahren die Teilnehmer, mit welchem konkreten Verhalten sie was genau ausgelöst haben, erzählt der Schauspieler.

 

Emotionale Grenzerfahrungen

 

"Nicht jedem Teilnehmer fällt es leicht, von der serviceorientierten Sprache, die ja auch meistens angebracht ist, in eine Krisenkommunikation zu wechseln", sagt Heribert Huth. Dazu komme, dass die Extremsituationen auch die eigene Verfassung beeinflussen und einen schnell an die persönlichen Grenzen bringen kann. Deshalb sei es sowohl in der Konzeption als auch in der Durchführung der Seminare wichtig, dass die Teilnehmer ein Trainingsumfeld erleben, in dem sie sich sicher fühlen und sich trauen, etwas Neues auszuprobieren.

 

 

Schauspieler schaffen authentische Atmosphäre

 

Aber könnten nicht auch die Moderatoren oder andere Teilnehmer die aggressiven Passagiere spielen?

"Über diese Frage haben wir natürlich auch nachgedacht, aber wir sind davon überzeugt, dass die Darstellung von starken Emotionen das schauspielerische Talent der Kollegen übersteigt, insbesondere auch das Reagieren auf das Verhalten", sagt Heribert Huth. Darüber hinaus hätte er die Beobachtung gemacht, dass in Rollenspielen unter Gleichen oft Klamauk entstehe, gerade wenn die Spieler oder die Teilnehmer unsicher werden.

 

"Durch dieses Seminar können unsere Crews ihr professionelles Handeln an Bord noch weiter verbessern und so manchen Passagier deeskalieren, bevor es überhaupt zu größeren Problemen kommt", sagt Purserreferentin Andrea Müller. Damit leiste das Training einen wichtigen Beitrag zu dem Serviceversprechen "spürbare Sicherheit".

Lufthansa Cabin What´s Up? Ausgabe 02/2010 - Anja Köhler

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